Heute möchte ich über die Wichtigkeit der Macher-Einstellung in der modernen Welt sprechen. Jede Projektleiterin und jeder Projektleiter erleben Situationen, in denen sie ihre wertvolle Zeit mit Rechtfertigungen und unnötigen Erklärungen vergeuden, anstatt sich auf die wichtigen Aufgaben zu konzentrieren. Gerade in Kulturen mit stark ausgeprägter Neigung, Unsicherheiten zu vermeiden (zu denen auch Deutschland gehört) ist es typisch, sich übertrieben lange mit allen möglichen Details zu beschäftigen, anstatt einfach zu machen.
Vor kurzem las ich im Handelsblatt, dass sich Wohnungsbauverbände in Berlin und Brandenburg (BFW) beschweren, weil Tesla noch keine genauen Anforderungen an das künftige Wohnen in Grünheide gemacht habe. “Wie sieht die Arbeitnehmerstruktur in der neuen Tesla-Fabrik aus? Welche Leute kommen, und was wollen beziehungsweise brauchen sie?“ Informationen wie diese seien notwendig, um passgenaue und nachhaltige Wohnraumkonzepte zu entwickeln” — Zitat aus dem Handelsblatt. Ist es euer Ernst, wisst ihr tatsächlich nicht, was Leute von ihren Häusern und ihren Wohnvierteln brauchen?!
Die Planung ist zweifelsohne wichtig und richtig, man darf nur nicht das eigentliche Ziel vergessen. Am Beispiel von der Giga-Factory sieht man sehr gut, wie zwei Kulturen aufeinandertreffen: Während die Gastgeber sich hinter Detailfragen verstecken und die nächsten Schritte für viele Jahre peinlich genau durchplanen wollen, zeigen die Gäste genau die Einstellung, welche man hierzulande fürchtet – einfach machen. Es besteht jedoch eine nicht zu vernachlässigende Gefahr – um am Bespiel zu bleiben, – dass die Bauunternehmen selbst nach Fertigstellung der Fabrik nicht mit Wohnungsbau anfangen können. Zunächst werden sie doch eine zweijährige Studie in Auftrag geben müssen, um mehr über die Fortbewegungsmittel der zukünftigen Einwohner oder die Geburtenrate in Grünheide nach Betriebsaufnahme von Tesla zu wissen. Wie sonst sollen sie bitte schön verstehen, “was die Leute brauchen”?
Hier noch ein Beispiel. Wer internationale Nachrichten verfolgt, hat mit Sicherheit mitbekommen, dass das Volk in Belarus bereits seit Anfang August um seine Freiheit kämpft und vom derzeitigen Regime massiv misshandelt und unter Druck gesetzt wird. Die im Ausland lebenden Belarusen wollten ihren Mitbürgern helfen und haben nach Lösungen gesucht. Eine direkte Geldüberweisung an Betroffene wäre nicht nur unverhältnismäßig teuer, sondern auch gefährlich für die Hilfsempfänger, denn dadurch können sie ins Visier der Polizei geraten.
Und so entschied man sich für die direkten Lebensmittelspenden. Beim Durchschnittseinkommen von nicht einmal 400 € pro Monat und Lebensmittelpreisen ähnlich hoch wie in Deutschland gibt man sonst einen beträchtlichen Teil des Gehalts für die Lebensmitteleinkäufe aus und zumindest hier konnte man aus dem Ausland helfen. Es gab also ein klares Ziel und es war allen Beteiligten klar, dass Scheitern in diesem Fall keine Option war, denn in vielen Fällen würden die Betroffenen buchstäblich verhungern.
Um es kurz zu fassen. In weniger als 4 Wochen hat man:
– Einen Telegram-Bot entwickelt, welcher die Familien und die Helfer in anonymisierter Form und nach Zufallsprinzip zusammenbringt
– Eine Vereinbarung mit den größten Lieferdiensten des Landes getroffen, um den Helfern standardisierte Warenkörbe je nach Familiengröße anzubieten
– Festgestellt, dass diese Lieferdienste nur in den größten Städten aktiv sind
– Eine Konsolidierung der Bestellungen und wöchentliche Lieferung in kleinere Städte auf die Beine gestellt – ohne Unterbrechung der Kühlkette
– Eine PR-Kampagne gestartet, welche in erster Linie den betroffenen Familien erklären soll, wie sie schnell und unbürokratisch an die Hilfe kommen.
Und das Beste: Es gab dazu keinen Lenkungsausschuss, keine Projektpläne, kein PMO, nicht einmal Teams oder Teamleiter. Es gab lediglich einen 30-jährigen Gründer der Initiative, welcher in den USA zu Hause ist, es gab eine Handvoll Koordinatoren, welche in der ganzen Welt verteilt leben, und es gab die Einstellung – einfach machen! Das Ergebnis: Über 20 000 € werden pro Woche gespendet, insgesamt hat man bereits für mehr als 100 000 € Lebensmittel eingekauft und verteilt. Mehr als 200 Familien kommen jede Woche hinzu, Tendenz steigend.
Also hier ist mein Appel an die Kollegen der Projektleiter-Zunft und insbesondere an die Wirtschaft: Startet eure Projekte und gebt eure Produkte heraus, selbst wenn sie anfangs noch nicht zu 100 % ausgereift sind! Versteckt euch nicht hinter der tonnenschweren Projektdokumentation! Klopft jedem Manager auf die Finger, welcher behauptet, er brauche ein Jahr, um den Projektplan für die Anschaffung eines neuen Lieferwagens oder für die Einführung eines Scanners im Betrieb zu erstellen.
Stattdessen erstellt einen Plan so gut ihr das könnt (es wird sowieso nie zu 100 % so laufen wie ihr das geplant habt), stimmt euch mit dem Auftraggeber bezüglich des Budgets und der Deadline ab – und was kommt dann? Richtig – einfach machen!
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